Überlebensprogramme behutsam verändern

Überlebensprogramme behutsam verändern

Im Neuroaffektiven Beziehungsmodell (NARM) stehen sogenannte Überlebensprogramme im Zentrum der Arbeit. Diese entwickeln sich in der Kindheit, wenn grundlegende Bedürfnisse nach Sicherheit, Nähe, Autonomie, realistischem Selbstwert oder Verbundenheit nicht erfüllt werden. Das Kind passt sich an, um die Beziehung zu den Bezugspersonen aufrechtzuerhalten – beispielsweise durch Rückzug, Perfektionismus, übermäßige Anpassung oder die Abspaltung von Gefühlen. Diese Strategien waren damals lebensnotwendig, können im Erwachsenenalter jedoch zu Blockaden, innerer Leere oder Beziehungsproblemen führen.

Aus psychotherapeutischer Sicht geht es im NARM nicht darum, alte Programme „wegzumachen“, sondern sie bewusst zu erkennen, zu würdigen und zu transformieren. Der erste Schritt ist daher, dem Klienten zu vermitteln: „Das, was Sie tun, hat Ihnen einmal geholfen zu überleben.“ Diese Haltung nimmt Scham und Schuld und schafft die Basis für Veränderung.

Überlebensprogramme lassen sich verändern

Im therapeutischen Prozess wird dann die Selbstbeobachtung geschult: Der Klient lernt wahrzunehmen, wie sich das Überlebensprogramm hier und jetzt zeigt – etwa in Gedanken wie „Ich darf keine Bedürfnisse haben“ oder in Körperreaktionen wie Anspannung, Leere oder Abschalten. Durch diese Bewusstmachung entsteht eine Distanz: Das Programm ist erkennbar, aber nicht mehr unbewusst steuernd.

Ein zentrales Werkzeug im NARM ist die Arbeit mit Polaritäten: Auf der einen Seite steht das alte Überlebensmuster (z. B. „Ich darf keine Nähe zulassen“), auf der anderen das tiefere Bedürfnis (z. B. „Ich sehne mich nach Verbundenheit“). Der Therapeut unterstützt den Klienten, beide Seiten gleichzeitig zu spüren, ohne sofort etwas verändern zu müssen. Dieses Halten von Spannung im Hier und Jetzt öffnet einen neuen Möglichkeitsraum, in dem das Nervensystem langsam flexibler wird.

Durch die Rückkehr in Selbstverbindung können die Überlebensprogramme nach und nach an Einfluss verlieren. Der Klient erlebt, dass er heute – anders als damals – mehr Wahlmöglichkeiten hat. An die Stelle automatischer Muster treten zunehmend authentische Reaktionen, die den aktuellen Bedürfnissen entsprechen.

So werden Überlebensprogramme nicht „umgeschrieben“, sondern integriert: Sie verlieren ihre zwingende Kraft, und der Mensch kann wieder freier, präsenter und verbundener handeln.

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