Essstörungen wie Anorexie, Bulimie oder Binge Eating treten bei jungen Mädchen oft in einer sensiblen Entwicklungsphase auf. Eine Entwicklungsphase, in der Identität, Körperbild und Selbstwertgefühl besonders formbar – und verletzlich – sind. Häufig liegen hinter dem gestörten Essverhalten nicht nur gesellschaftlicher Schönheitsdruck, sondern auch tiefgreifende Bindungs- und Entwicklungstraumata, emotionale Vernachlässigung oder Überforderung in der frühen Kindheit. Essen (oder dessen Verweigerung) wird zum unbewussten Regulationsmechanismus, um innere Anspannung, Kontrollverlust oder schmerzhafte Gefühle zu bewältigen.
Somatic Experiencing (SE), entwickelt von Peter Levine, setzt genau hier an: Essstörungen sind oft mit einem chronisch dysregulierten Nervensystem verbunden – einem Wechsel zwischen Übererregung (Hyperarousal) und emotionaler Taubheit (Freeze). In SE lernen Betroffene, ihre Körperempfindungen achtsam wahrzunehmen und zu differenzieren. Ohne sofort in alte Überlebensmuster zu rutschen. Durch behutsames Pendeln zwischen Anspannung und Entspannung können im Körper gebundene Traumareaktionen gelöst werden. Diese Regulierung schafft die Grundlage, um sich sicherer zu fühlen – eine Voraussetzung, um schrittweise gesündere Ess- und Selbstwahrnehmungsmuster zu entwickeln.
Essstörungen haben oft mit alten Glaubenssätzen zu tun
Das Neuroaffektive Beziehungsmodell (NARM) nach Laurence Heller ergänzt SE, indem es den Fokus auf die frühen Bindungsmuster und die daraus entstandenen Selbstbilder legt. Viele Mädchen mit Essstörungen kämpfen mit Glaubenssätzen wie „Ich bin nur wertvoll, wenn ich perfekt bin“ oder „Meine Bedürfnisse sind nicht wichtig“. NARM arbeitet im Hier und Jetzt, um diese Überlebensstrategien bewusst zu machen und ihre ursprüngliche Schutzfunktion zu würdigen. Gleichzeitig unterstützt es, neue Erfahrungen von Selbstakzeptanz, Authentizität und Verbundenheit aufzubauen – sowohl in der therapeutischen Beziehung als auch im Alltag.
Die Kombination aus SE und NARM ermöglicht eine Arbeit auf zwei Ebenen: der physiologischen Regulierung und der psychischen Integration. Ziel ist nicht nur, das Essverhalten zu stabilisieren, sondern auch den inneren Kontakt, die Selbstwirksamkeit und die emotionale Resilienz zu stärken. Wichtig ist ein sicherer, nicht-wertender Raum, in dem die Betroffenen lernen, ihren Körper nicht als Feind, sondern als Partner wahrzunehmen. So wird der Weg frei für eine nachhaltige Verbesserung – nicht durch Kontrolle, sondern durch Selbstverbindung und innere Sicherheit.