Bindungstraumen in der Psychotherapie

Bindungstraumen in der Psychotherapie

Bindungstraumen kommen in der Psychotherapie öfter vor, als manche denken. Sie entstehen meist in der frühen Kindheit, oft schon in den ersten Lebensjahren, wenn das Bedürfnis nach Sicherheit, Fürsorge und emotionaler Resonanz nicht ausreichend erfüllt wird. Ursachen können Vernachlässigung, emotionale Kälte, inkonsistente Fürsorge oder Missbrauch sein. Auch subtilere Formen wie ständige Überforderung oder fehlende emotionale Präsenz prägen sich tief ein. Da diese Erfahrungen in einer Zeit entstehen, in der das Nervensystem und das Selbstgefühl noch im Aufbau sind, wirken sie nicht nur auf das psychische Erleben, sondern auch auf die körperliche Regulation. Das Resultat sind häufig Schwierigkeiten in Beziehungen, chronische Anspannung, Selbstwertprobleme und ein brüchiges Gefühl innerer Sicherheit.

Bindungstraumen wirksam abschwächen

Somatic Experiencing (SE) nach Peter Levine bietet einen körperorientierten Zugang zur Verarbeitung dieser frühen Verletzungen. Bindungstraumata sind im Nervensystem oft als unvollständig verarbeitete Überlebensreaktionen gespeichert – wie Erstarrung, Rückzug oder übermäßige Alarmbereitschaft. SE arbeitet behutsam mit der Wahrnehmung von Körperempfindungen, um diese Muster zu erkennen und schrittweise zu lösen. Durch das langsame Pendeln zwischen belastenden und sicheren Empfindungen entsteht neue Regulation. Betroffene lernen, ihren Körper als Ressource zu erleben und wieder in ein Gefühl von Präsenz und Sicherheit zu kommen.

Das Neuroaffektive Beziehungsmodell (NARM) nach Laurence Heller ergänzt SE durch die gezielte Arbeit mit den Beziehungsmustern, die aus Bindungstraumata resultieren. NARM sieht diese Überlebensstrategien – etwa übermäßige Anpassung, Distanzierung oder Kontrollbedürfnis – nicht als „Fehler“, sondern als damals notwendige Schutzmechanismen. Im therapeutischen Prozess werden sie im Hier und Jetzt erforscht, ohne in ein reines Wiedererleben der Vergangenheit zu gehen. Ziel ist, die innere Selbstverbindung zu stärken und authentischen Kontakt mit anderen zu ermöglichen.

Die Kombination von SE und NARM ermöglicht, Bindungstraumata sowohl auf der körperlich-physiologischen als auch auf der beziehungsorientierten Ebene zu bearbeiten. Dabei steht nicht die „Korrektur“ der Vergangenheit im Vordergrund, sondern die Fähigkeit, im jetzigen Moment sicher, präsent und verbunden zu sein – mit sich selbst und mit anderen. So entsteht die Basis für tiefgreifende Heilung und eine neue Qualität von Nähe und Vertrauen.

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